Heute ist der erste Tag einer besseren Welt. Wie immer am 01. Januar. Du nimmst Dir seit ein paar Stunden vor, mit dem Rauchen aufzuhören, mehr Sport zu treiben oder sparsamer zu sein. Du versuchst, Dich im Vergleich zum letzten Jahr zu verbessern, Deinen Charakter weiter zu optimieren. Das ist keine schlechte Sache. Aber Du könntest den ersten Tag des Jahres auch dafür nutzen, Dir nicht nur zu vergegenwärtigen, wie Du werden möchtest, sondern wie Du bist oder schon immer warst. Es sind drei einfache Fragen: Wer bist Du? Wie bist Du? Warum bist Du so?

Ich habe vor Jahren mal eine Charakteristik über mich geschrieben. Wobei das nicht ganz richtig ist. Ich habe begonnen, in ganzen Sätzen über mich und meine Persönlichkeit zu schreiben. Einfach mal frei überlegt, wie ich wirklich bin. Was ich mag, was ich nicht mag, was mir wichtig ist und was mich nicht interessiert. Wie ich mich in gewissen Situationen verhalte. Worum es (mir) im Leben geht. Ohne Schwafeln. Letztendlich ist aus ganzen Sätzen dann eine ehrliche Liste von Charaktereigenschaften und Sichtweisen geworden, die auf mich zutreffen. Ich hatte damals einen kleinen Aha-Effekt, weil ich während des Schreibens ganz automatisch von einer Eigenschaft zur nächsten gespült worden bin. Manchmal waren es einzelne Worte, manchmal Halbsätze. Es gab immer einen neuen Gedanken. Zwischendurch hat es sich so angefühlt, als würde die Liste nie enden. Ich kann jedem empfehlen, so etwas auch mal zu probieren. Das Ergebnis könnte eine große Portion Selbsterkenntnis sein. Und die wiederum könnte zu einer gefestigteren Persönlichkeit führen. Ich bin der Meinung, dass der Umgang mit vielen Situationen leichter fällt, wenn man die eigenen Stärken kennt und sich seine Schwächen eingesteht. Stichwort „Selbstbewusstsein“ – hier wörtlich zu verstehen. Klingt oberlehrerhaft, soll es aber nicht sein.  Eher selbstreflektierend.    

Jetzt, einige Zeit später, habe ich mir die Liste nochmal durchgelesen. Dabei habe ich versucht, die vielen Oberpunkte zu wenigen Unterpunkten zusammenzufassen. Die Idee war, am Ende nur drei Eigenschaften oder Werte auf dem Zettel zu haben. Ich habe es sogar geschafft, drei Eigenschaften mit dem gleichen Anfangsbuchstaben zu finden. Das war zunächst Zufall, weil zwei Worte mit „Z“ begannen. Also habe ich nach einem dritten Wort mit „Z“ gesucht. Letztlich sind es die folgenden drei Begriffe geworden, die viel von dem beinhalten, was ich wirklich wertschätze:

Zurückhaltung
Zufriedenheit
Zuversicht   

Die Reihenfolge ist unbedeutend. Es gibt keine Wertigkeit; die Begriffe könnten auch nebeneinander stehen.

Eine meiner Meinung nach sehr wertvolle, aber auch unterschätzte Charaktereigenschaft ist Zurückhaltung. Mir sind zurückhaltende Menschen oft viel sympathischer als laute Menschen, die dauernd im Mittelpunkt stehen und ein schrecklich hohes Mitteilungsbedürfnis haben. Bei denen muss alles erzählt und kommentiert werden. Ungefragt wohlgemerkt. Dabei gilt doch so oft: Weniger ist mehr. Das ist natürlich sehr subjektiv, schon klar. Am schlimmsten finde ich die in den Raum geworfenen, belanglosen Phrasen, die von der Person erst dann näher erläutert werden, wenn endlich jemand nachfragt. Manchmal reicht ein beiläufiges, nett gemeintes: „Ach echt?“ oder ein „Wieso?“ als Reaktion auf irgendeinen Wortfetzen und schon geht es los. Wie ein Stöpsel, der gezogen wurde und das Wasser sprudeln lässt. Dabei hat Zurückhaltung doch irgendwie so viel mit Höflichkeit und sozialer Intelligenz zu tun. Feingefühl für Zeitpunkte. Filtern der Ereignisse. Nicht immer alles wissen müssen. Und außerdem hat nicht ständig vorzupreschen den Vorteil, dass die eigenen Karten nicht sofort offengelegt werden. Die Zurückhaltung als Pokerspielerin würde in der ersten Runde wohl nur „checken“. Eine angenehme Spielweise, auch wenn sich die allergrößten Pötte so nicht gewinnen lassen. Wer nicht riskiert, der nicht gewinnt.   

Einen wichtigen Baustein des eigenen Charakters stellt für mich die Zufriedenheit dar. Ein ruhiges Wort. Es trägt den Frieden ja quasi in sich. Natürlich kann ich es mir nicht immer aussuchen, ob ich gerade zufrieden bin oder nicht. Dafür können jeden Tag einfach zu viele Dinge passieren, sowohl negative als auch positive. Es ist aber immer möglich, diese Dinge ins Verhältnis zu setzen und die eigene Situation als nicht ganz so schlimm zu betrachten. Als ich im Januar 2017 den Blogtext „Glückstag“ geschrieben habe, sind unterschiedlichste Menschen aus meinem Umfeld mit meiner Frage konfrontiert worden, was Glück für sie bedeutet. Zufriedenheit war der Aspekt, der am häufigsten genannt worden ist. Zurecht. Die bewusste Zufriedenheit bildet einen Ruhepol im Alltag. Den Ball mal etwas flach halten, sich nicht so schnell irritieren lassen. Den ständigen Vergleichen in sozialen Medien trotzen; beim Wettlauf der Selbstoptimierung einfach nicht antreten. Lasst die Anderen doch rennen, ich hab’ gar keine Schuhe mit. Es gibt so viel Neid, wenn z.B. im Beruf der eine früher befördert wird als der andere. Klar kann mich das wurmen, aber ist es denn wirklich derart wichtig oder geht es mir nicht auch so ganz gut?

Dann ist da noch die Zuversicht. Sie wird mit „festem Vertrauen auf eine positive Entwicklung in der Zukunft“ definiert. Es geht also um eine grundsätzlich positive Einstellung zu sämtlichen Dingen. Um den Glauben an sich selbst und an das Gute. Um das Gefühl oder bestenfalls sogar die Gewissheit, dass man mit beiden Beinen fest im Leben steht und nur schwer aus dem Gleichgewicht zu bringen ist. Die Gewissheit, mit jeder Situation irgendwie klarkommen zu können. Ich bin in dieser Hinsicht beruflich natürlich etwas geprägt, denn in meinem Job gehen in der Hektik des Geschehens manchmal beunruhigende Anrufe ein. Wer ist schon tiefenentspannt, wenn er einen Notruf absetzen muss. Aber allzu oft stellt sich die Situation vor Ort dann als längst nicht so schlimm heraus. Ist es nicht auch privat oft so? Ich habe verinnerlicht, auf Ruhe und Gelassenheit zu setzen. Irgendwie wird das alles schon hinhauen. Don’t panic.

Aber jetzt zu Dir. Wer bist Du? Vielleicht der, der jetzt noch im Bett liegt. Also los – ich bin recht zuversichtlich, dass Du nach einer kleinen Joggingrunde in Anbetracht Deiner guten Vorsätze zufriedener wärst. Bloß keine falsche Zurückhaltung 😉

Frohes Neues Jahr!

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