Worum es im Leben geht

Bestimmt zwei Jahre lang schlummert die Überschrift dieses Textes schon in der Notiz-App meines Handys. Es sind bloß ein paar der Einfachheit geschuldete Stichpunkte, die, wenn sie zu Ende gedacht und aufgeschrieben worden sind, einen zufriedenstellenden Haken bekommen. Das Handy ist nun mal schnell griffbereit, wenn Geistesblitze von einer Sekunde auf die andere unangekündigt einschlagen. Die Lebensfrage, so will ich sie mal nennen, reizt mich schon lange. Denn all die Standard-Antworten, dass es im Leben um Liebe, Glück und Familie gehe, reichen mir nicht. Das soll auf keinen Fall heißen, dass diese Ansätze falsch wären und natürlich finde ich es auch schön, wenn John Lennon sagt:

„When I was 5 years old, my mother always told me that happiness was the key to life.
When I went to school, they asked me what I wanted to be when I grew up.
I wrote down „happy“.
They told me I didn’t understand the assignment, and I told them they didn’t unterstand life.“

Aber irgendwie möchte ich auf dem Thema mehr herumkauen, bevor ich es runterschlucke. Voller Ehrfurcht habe ich mich bislang aber nicht getraut, die Frage schriftlich zu beantworten. Natürlich lässt sich da mal schnell drüber nachdenken, aber die Gefahr, der Tiefgründigkeit der Frage auf ein bis zwei Seiten nicht gerecht werden zu können, ist einfach da. Dazu habe ich lange überlegt, ob ich meine Gedanken wirklich dieser altklugen Überschrift unterstellen soll. Denn wer bin ich, dass ich nach einem Drittel meiner Lebenszeit sagen könnte, was hier wirklich zählt? Es wäre naiv, fast vermessen, zu glauben, dass sich das so einfach sagen lässt. Höchstwahrscheinlich werde ich in 50 Jahren mit dem Kopf schütteln, wenn ich diese Zeilen lese. Es wäre eh mal interessant, welche Meinungen es in Altenheimen zu diesem Thema gibt. Ob alte Menschen die Antwort wirklich kennen? Sehr wahrscheinlich nicht, denn es gibt sie nicht, die einzig richtige Antwort. Ähnlich wie beim Empfinden des Glücks oder bei der Trauer gibt es wohl auch hier kein richtig oder falsch. 

Jeder schreibt dem Leben seine eigene Rechnung. Das ist kein Zitat – diesen Satz habe ich mir vor 15 Sekunden ausgedacht. Und ich finde ihn passend. Tief in unseren Persönlichkeiten kennen wir die Zutaten für unsere Lebensformel. Das Bild zu diesem Text stammt aus meiner Heimat. Es hängt seit ein paar Jahren in einer Holzhütte an der Wand. Irgendjemand, ich weiß nicht wer, wird sich da seine eigene Lebensformel aufgemalt haben. Bei näherem Hinsehen interpretiere ich das Bild wie folgt: Sonne/Licht/Klima geteilt durch ein paar persönliche Voraussetzungen wie z.B. Nahrung, Liebe und Fortpflanzung, die immer im Verhältnis zur eigenen Philosophie stehen (Wolke), multipliziert mit den finanziellen Gegebenheiten = das Leben. Und vor der Pistole steht ein Minuszeichen, denn Gewalt braucht niemand. Was auch immer sich der Mathematikkünstler hier gedacht hat – komplett sicher scheint auch er sich nicht gewesen zu sein, denn das Fragezeichen am Ende bestätigt die These, dass die Individualität bei diesem Thema einen großen Platz einnimmt. Als wollte er sagen, dass sich das Leben auch mit Logik nicht erklären lässt. Um ehrlich zu sein – vielen Dank dafür. Denn ansonsten wäre alles kalkulierbar, es gäbe keine Überraschungen, keine Unsicherheiten und keine Leidenschaften. Wie bei der Truman-Show.

Nun habe ich aber immer noch nicht erzählt, worum es (mir) im Leben geht. Ich merke während des Schreibens, wie viele Ausfahrten und Umwege es auf dem Weg zur eigenen Antwort gibt. Und dass sie sich nicht in einen Satz verpacken lässt. Wäre ich aber in der Pflicht, wirklich nur einen einzigen Satz zu schreiben, dann könnte der heißen:

„Im Leben geht es um einen kühlen Kopf, um Gleichgewicht, Zeit und Momente und darum, sich selbst nicht so ernst zu nehmen.“ 

Bei dem kühlen Kopf denke ich vor allem daran, dass jeder Lebensabschnitt individuelle Bergetappen zu haben scheint und wir uns immer wieder der Herausforderung stellen müssen, Entscheidungen zu treffen. Je älter wir werden, desto besser lernen wir uns kennen, desto mehr wissen wir, was wir zum Leben brauchen. Aber nicht nur für Entscheidungen muss der Kopf frisch sein. Es geht schlichtweg auch darum, mit all unserer Subjektivität klarzukommen. Alles was wir machen, nehmen wir zwangsläufig aus der eigenen Perspektive wahr – geht ja gar nicht anders. Also macht auch alles etwas mit uns. Wenn wir uns vorstellen, dass wir pausenlos denken, dann denken wir in dem Moment ja schon wieder. Und wenn wir darüber nachdenken, mal nicht zu denken, dann denken wir auch wieder. Insgesamt vielleicht mal mehr und mal weniger, aber nie nie. In diesem 24/7-Karussell sehe ich das Filtern und Kategorisieren von Erlebnissen als hohe Kunst, für die ein gutes Mindset notwendig ist. Wie singt Matze Rossi in seinem Lied Ohne Zweifeln und Bedauern so passend:

„Am Ende muss hier jeder… mit sich alleine klarkommen.“

Das Wort Gleichgewicht hat es in meinen Satz geschafft, weil ich einerseits sehr viel von einem gesunden Geist in einem gesunden Körper halte und mich deswegen einfach wahnsinnig gerne bewege. Andererseits hab ich vor einigen Jahren das „Archaische Kreuz“ kennengelernt. Klingt erstmal sehr mystisch, ist aber ein schönes Sinnbild für ein ausgeglichenes Leben. Man stelle sich ein Koordinatensystem mit zwei Achsen vor. Die vertikale Linie steht für das voranschreitende Alter. Je älter jemand wird, desto höher steigt er auf der Linie. Die horizontale Ebene ist in zwei Bereiche geteilt. Linksseitig sind Begriffe wie Sicherheit, Routine, Familie und Treue verankert, während auf rechten Seite Worte wie Abenteuer, Spiel, Lust und Abwechslung stehen. Kerngedanke dieses Modells ist, dass es weder gut sein kann, dauerhaft auf der einen, noch dauerhaft auf der anderen Seite zu leben. Zu einem weisen alten Menschen werde man erst dann, wenn die Lebenskurve von unten nach oben in Schlangenlinien, also im Gleichgewicht, verlaufen sei. Klingt für mich logisch – auf der linken Seite wäre es auf Dauer langweilig, auf der rechten Seite viel zu unruhig.

Die Begriffe Zeit und Momente sind für mich fest miteinander verbunden. Neulich hat mir eine Schulfreundin zum Geburtstag gratuliert und mir dabei mal nicht Alles Gute und einen schönen Standard-Tag, sondern einfach Zeit gewünscht. Wie sinnvoll – wie einfach, dachte ich. Es ist nichts anderes als Zeit, die wir brauchen, um Dinge zu tun, die uns mit Freude erfüllen. Dann kommen sie von ganz allein, die besonderen Momente. Allein der Sommer hält so viele Augenblicke bereit, für die man bloß empfänglich sein muss. Hat alles etwas mit Wahrnehmung und Achtsamkeit zu tun, damit sich hinterher wieder sagen lässt: Es geht um Momente im Leben.

Zum Abschluss noch etwas, das unüberlegt schnell dahin gesagt werden kann, aber im Grunde wahnsinnig bedeutsam für viele alltägliche Begegnungen ist. Sich selbst nicht zu ernst zu nehmen, ist eine Eigenschaft, die für mich persönlich immer mehr an Wert gewonnen hat. Es geht darum, sich hier und da mal zurückzunehmen, nicht immer besser als Andere sein zu wollen, die Eitelkeit wie Olli Schulz zu Hause zu lassen, sich locker zu machen und mit unbändigem Humor durch die Welt zu gehen. Mein Gott, wir sind alle zur gleichen Zeit hier, was’n das für’n Geschenk? Überlegt mal, wie viele potentielle Menschen das alles hier nicht erleben dürfen. Also stellt Euch nicht so an – das Leben ist eins der Besten!

 

 

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